Kolouma Sovogi

Kolouma Sovogi bemalt ein Haus.
Foto: Karl-Heinz Krieg, Segbémé (Guinea), 1996

Kolouma Sovogi
Komagavhodai, Zèghèlèwöni, Kosuvhodai, 1996
Acryl/Zeichenkarton, grundiert
59 x 83,8 cm
Werknr. 35–1996/90

Kolouma Sovogi

geb. ca. 1965 in Touwéleou, Guinea
Touwéleou (später Macenta), Guinea

Heirat: mit ca. 15 Jahren um 1979. Ihr Ehemann war Béavogi Kalifa; mit ihm hatte sie 4 Kinder, davon hat nur 1 Tochter überlebt; heute ist sie von ihrem Mann geschieden.
Kurzinitiation: ca. 1979, eine heimliche Initiation in Touwéleou.
Beruf: Bäuerin; sie hat eigene Erdnuss- und Reisfelder, welche von Malinke Kontraktarbeitern bearbeitet werden. In Macenta betreibt sie Handel mit Produkten, welche sie z. B. in Bofossou an den Markttagen aufkauft und mit Gewinn in Macenta verkauft. Nebenbei betreibt sie noch eine illegale Schnapsbrennerei, was ihr viele Probleme mit den Behörden einbrachte. Bei Initiationen bemalt sie Mädchen und Frauen im Buschlager; außerdem schneidet sie die Schmucknarben und feilt die Schneidezähne der Mädchen; daneben bemalt sie auch Häuser. Sehr geschickt ist sie im Erstellen der Kostüme für die initiierten Mädchen.
Zusammenarbeit: 1989, 1990 und 1996

Kolouma lernte ich zufällig 1989 bei den Initiationsfeiern in Segbémé kennen. Sie war von einigen Eltern der Initiandinnen gebeten worden, im Buschlager ihre Kinder für das große Fest zu bemalen. Nach dem Fest stellte mir der Dorfchef Akoi Bavogi seine „Schwester“ Kolouma vor. Obwohl sie noch nie auf Papier gemalt hatte, setzte sie sich ohne Hemmungen zu uns, nahm ein Blatt Papier und machte eine herrliche Podai-Zeichnung. Das Ergebnis war so überzeugend, dass ich sie bat, weitere vier Tage bei uns zu bleiben und uns alle ihre bekannten traditionellen Podai-Muster zu malen. Daraus entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit, welche sich auch 1990 fortsetzte und erst 1996 beendet wurde.

Sicherlich war die Zusammenarbeit mit Kolouma alles andere als reibungslos, doch wir haben mit Hilfe der Alten im Dorf immer Wege gefunden, alle Probleme im Gespräch rechtzeitig zu lösen, und so konnten wir die angefangene Arbeit zu einem guten Ende führen. Kolouma ist eine Podai-Malerin der jungen Generation, welche während der Zeit Sékou Tourés geboren wurde und durch die vielen politischen Behinderungen und Verbote nur bedingt die Gelegenheit hatte, die traditionelle Podaimalerei zu erlernen und alle ihre Geheimnisse zu erfahren. Dazu erzählte mir Kolouma:

„In unserem Dorf betrachtete ich die Initiandinnen mit ihren bemalten Körpern: ich beobachtete mit großer Neugierde die alten Frauen, wie sie die Mädchen bemalten. Da ich gesehen hatte, wie man die Linien auf einem Körper zieht, begann ich direkt von ihnen zu lernen, bis ich dann selber in der Malerei stark wurde.“

Spannungen gab es zwischen mir und Kolouma, weil sie zu ihren Arbeiten nicht die entsprechenden Informationen geben wollte; ich dachte sogar, dass dies böswillig sei – bis sich Pévé Zoumanigi, eine Podai-Malerin aus der alten Zeit, eines Tages, als Kolouma uns verlassen hatte, die Malereien von Kolouma vornahm und uns dazu einiges erklärte. Pévé fühlte sich als „ältere Schwester“ Koloumas und half in ihrer mütterlichen Art, dass ich Kolouma besser verstehen konnte. Pévé meinte, dass wir von Kolouma einfach nicht mehr erwarten könnten, weil sie in der Zeit Sékou Tourés geboren wurde. Sie stehe nicht voll in der Tradition; vieles könne sie nicht wissen, denn sie imitiere die alten Malerinnen und habe deshalb nicht das Wissen über die alten Muster. Das Vorenthalten von Informationen sei nicht böswillig; Kolouma könne nicht das wissen, was die alten, traditionellen Podai-Malerinnen gelernt haben. Schonungslos kritisierte Pévé die Malereien von Kolouma:

„Teilweise weit ab von der Tradition; viele Arbeiten traditionell begonnen, aber nicht konsequent zu Ende geführt oder die verschiedenen Motive gemischt. Vieles modernisiert und auf ,Schön‘ gemalt; sie wollte mit ihren Arbeiten angeben.“

Mein Arbeitsaufenthalt 1990 in Segbémé endete mit einem offiziellen Rausschmiss Koloumas. Sie hatte in den Augen der Alten den Namen des Dorfes beschmutzt, weil sie nach einer Beerdigung im Nachbardorf sich selber eigenwillig zehn Tage Sonderurlaub zugeteilt hatte und auf ihren Feldern arbeitete, obwohl sie für zwei Wochen Gehaltsvorschuss bekommen hatte und damit Kontraktarbeiter anheuern wollte. Nach einer Gerichtssitzung der Alten musste ihr Mann den Vorschuss voll zurückbezahlen. Danach wurde Kolouma von ihnen des Dorfes verwiesen.

1991 arbeitet ich nicht mit Kolouma zusammen. Wir trafen uns erst wieder während meiner letzten Arbeitsreise 1996. Kolouma war wie umgewandelt. Sie kam auf mich zu und wollte mit uns vom ersten Tag an voll mitarbeiten. Ich hatte meinen Aufenthalt in Segbémé auf sechs Wochen festgelegt. Kolouma war bei uns in Segbémé vom ersten bis zum letzten Tag. Als schon alle anderen Malerinnen in ihre Dörfer zurückgekehrt waren und ich beim Packen war, saß Kolouma noch immer in ihrem Häuschen und wollte uns auch noch die letzten Seiten bemalen. Die Idee, großformatige Bilder malen zu dürfen, mit einer breiten Farbpalette, wie sie diese noch nie gesehen hatte, dies war Koloumas Augenblick. Die Formate konnten für sie nicht groß genug sein; sie wollte „der ganzen Welt“ zeigen, dass sie die große Meisterin war. Mit Recht war Kolouma sehr von ihrer Arbeit eingenommen; wenn ich heute ihre einmaligen Bilder betrachte, kann ich leicht alle Probleme mit ihr vergessen; hell leuchtet ihr Stern am Podai-Himmel. Die großformatigen Arbeiten von Kolouma Sovogi wurden zum ersten Mal im Jahr 2000 auf der Biennale d’Art Contemporain de Lyon vorgestellt.

Kurz vor meiner Abfahrt von Segbémé sagte ich dem Dorfchef Akoi, dass ich von Kolouma einfach total überrascht sei und ich kaum verstehen könne, dass sie die ganzen sechs Wochen durchgehalten habe und wir auch nicht die kleinsten Probleme miteinander hatten. Lachend erzählte er mir dann Koloumas große Geheimnisse und Probleme:

„Sie war vor deiner Ankunft in Bofossou an einem Markttag mit einigen Kanistern ihres schwarzgebrannten Schnapses von der Polizei geschnappt worden. Vor den Augen vieler Marktbesucher, die sie alle gut kannten, wurde Kolouma verhaftet, und die Polizei goss ihren ganzen Schnaps auf die Straße. Kolouma wurde zunächst ins Gefängnis gesteckt und später zu einer hohen Geldstrafe verurteilt: man setzte sie aber wenig später frei, damit sie das Geld auftreiben konnte. Vergeblich versuchte sie, einen Kredit zu bekommen, deshalb war Kolouma bei deiner Ankunft total pleite.“

Und da kam ich an, als Retter in der Not. Kolouma verdiente mit ihrer Malerei bei uns in sechs Wochen einen guten Betrag und konnte alle ihre Schulden bezahlen. Sie war also wieder eine freie (schuldenfreie) Frau. Von all dem hatte ich nichts gewusst; nach Meinung des Dorfchefs war der Schnaps der wirkliche Grund, dass Kolouma durchgehalten und sich so in die Arbeit hineingesteigert hatte. Not macht eben erfinderisch!

Text: Karl-Heinz Krieg, 2003
Aus: Podai - Malerei aus Westafrika, museum kunst palast, Düsseldorf 2003:130-132